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Glotze

Glotze

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VÖ am 23. Okotober 2020 im Vertrieb von Galileo Music Gmbh

Format:
Digital
Compact Disc

Punk, Punch und die Avantgarde der Neutöner hatten Mark Weschenfelder, Philipp Martin und Philipp Scholz im Hinterkopf, um dann ihrs zu finden. Es müsste doch funktionieren, eine Musik zu kreieren, die nicht immer gespielt wird. Viel zu oft verfallen wir ja in unsere Rollen, kleben an unseren Licks und Usancen. Warum also nicht mal Gegenteiliges versuchen und das aufschreiben, um eine andere Beweglichkeit herauszukitzeln. So entstand das Trio GLOTZE, und dies ist seine erste CD.

Mark Weschenfelder ist Altsaxofonist aus tiefster Überzeugung. Es ist sein Instrument. Basta! Er mag, dass es viel rhythmischer angelegt ist als das Tenorsaxofon. Weschenfelder liebt es, wie ein Schlagzeuger zu spielen. Punktgenau und temposcharf beweglich. Er mag die disziplinierte Spontaneität, kann schneidend klingen, somnambul mitunter und immer mit diesem Zug nach vorn. Er mag es nicht, sich auf einmal gefundenen Ideen auszuruhen. Er ist ein sehr präziser Musiker. Die Historie des Jazz hat er ebenso wie Schlagzeuger Philipp Scholz inhaliert und präsent. Auch Scholz hat sich als Instrumentalist und als Komponist mit dichter, gar nicht windschnittiger Musik in austarierten Gruppenklängen, die ebenso vertrackt wie emotional sind, einen festen Platz innerhalb des jungen deutschen Jazz erspielt. Es geht ihm nicht um Selbstdarstellung, sondern um das eng aneinandergerückte Spiel in Mannschaftsstärke.
Weschenfelder, Martin und Scholz nutzen ihr Wissen über die Basisbibliotheken der Musikgenres, um ihres hinzuzufügen. Nur dann wird es sinnvoll, weil so das Ich einer Band spricht. Das darf nicht anders sein bei 1982 und 1985 in Thüringen oder 1990 in Sachsen und eben nicht auf der anderen Seite der Welt geborenen Musikern. Zur Historie hat Mark Weschenfelder eine ganz klare Meinung: „Warum sollte ich versuchen so zu klingen wie Charlie Parker? Er selbst hat das am besten gemacht.“ Eben!

Also verorten GLOTZE ihre Musik in ihrem Jetzt hier und heute. Das Alte ist nicht mehr genug, das Neue noch nicht ausreichend konturiert. Da muss noch Raum sein. Überhaupt genügt sich der freie Jazz viel zu gerne in seinen Ritualen. Das tendiert dann oft ins Beliebige. Freie Musik aber darf nicht im Nebeneinander der Stimmen verglühen. Klischees zu bedienen ist das Letzte, was GLOTZE anstreben. Deswegen geht es in dieser Band um das Strukturelle von Kompositionen, bei denen die Musiker eng beieinander sind. Hier wird in größeren Kontexten gedacht und agiert.

Bassist und Komponist Philipp Martin möchte Formen erschaffen, deren Stabilität stets etwas gefährdet ist. Daraus erwächst eine diese Musik konturierende Dynamik. Spannend an ihren Trio-Begegnungen findet er, wie sich die eigenen Spielweisen gleichzeitig wiederfinden und wie sie herausgefordert werden. Immer wieder muss der erste Gedanke auf seine Tragfähigkeit geprüft werden. Und: Diese Musik ist europäisch trotz aller Spurenelemente von M-Base, Bebop-Rasanz und John Zorns Zapping-Music.

Die Jazzhistorie ist nur eine Voraussetzung von GLOTZE, dem Trio mit dem detailscharf dynamischen und nicht so leicht vorhersehbaren Schlagzeuger Philipp Scholz und dem E-Bassisten Philipp Martin, der die Rasanz dieser elf Stücke vehement grundiert. Ist nicht überhaupt die emanzipatorische Präsenz der Bässe einer der Kraftgeber aktueller Musik? In diesem gleichermaßen wuchtigen wie filigranen Fall könnte man das aufs Schönste bestätigt sehen. Hinzu kommen elektronische Kommentare und Ergänzungen, die mehr als nur Geschmacksverstärker sind.

Die Musik von GLOTZE ist neu, herausfordernd und von kraftvoller Klugheit. Die Geschichte geht weiter. Die Drei agieren engstens beieinander bei dieser schwierig zu spielenden und immer schlüssiger Horizonte aufreißenden Musik. Man wächst an einem gewissen Maß an Überforderung. Das Orthodoxe ist nicht das Maß der Dinge. Provozieren, prononcieren und auf dem Weg sein. Diese Musik hat Kontur und Konsequenz, sie ist genauestens gebaut und wird mit jedem Hören plausibler. Nichts Anempfundenes überdeckt das Eigene in dieser dringlich drängenden Forschungsarbeit an Klängen, die sich zu einer verblüffenden Relevanz verdichten.

Es geht weiter, immer weiter. Dabei genügen nicht die einfachen Wahrheiten. GLOTZE verunsichert, öffnet Türen, hinter denen immer neue Ideen aufpoppen. Das gibt sich nicht zufrieden, will mehr, ist intensiv, strukturiert und herausfordernd. Hier meldet sich eine neue Band, nachdrücklich, ruppig und unverbraucht. Neue Musik fern der Routinen, frisch und frech, forschend und fordernd. Gewissheiten gab es gestern. Auf geht’s. Was bleibt, sind Sinnlichkeit und Emotionalität. GLOTZE stößt uns heraus aus unseren Bequemlichkeiten, lädt ein ins Offene.

Line-up

Mark Weschenfelder

alto saxophone

Philipp Martin

bass guitar

Philipp Scholz

drums

Credits

Produced by Philipp Martin, Mark Weschenfelder, Alexander Krause

1 recorded at "Serious Meyer Studio" by Frank König & Alexander Krause
2–10 recorded at "Behind The Plane Studio" by Marcel Aue
11 recorded at "Old Central Sound Studio" by Alexander Krause

Mixed by Alexander Krause / mastered by Zino Mikorey
Original Lino-Print "Gespenst" by Sebastian Gages